Inhaltsverzeichnis
- Sportlich zur See - Wie halten sich Segler fit
- Segeln und den Alltag hinter sich lassen
- Interview mit dem Segel-Team Lutz-Beucke
- Welche Arten des Segelns gibt es und wo wird am meisten von Seglern abverlangt
- Warum Segler auch außerhalb des Wassers trainieren
- Welche Muskelgruppen werden beansprucht und wie schaut es mit der nötigen Kondition aus
- Welche Rolle spielt mentale Stärke und wie kann Krafttraining dazu beitragen
- Wie kannst du insbesondere die Winterpause mit Kraft- bzw. Ausdauertraining sinnvoll überbrücken
Sportlich zur See – Wie halten sich Segler fit?
Um auf dem Wasser den Wellen standhalten zu können und auf dem Boot alles im Griff zu haben, müssen Segler topfit sein. Wir haben zwei Seglerinnen an einem typischen Trainingstag begleitet und sie nach ihrem Fitnessplan auf dem Weg zu Olympia 2020 befragt.
Segeln und den Alltag hinter sich lassen
Das tiefe Blau des Ozeans, gepaart mit wolkenlosem Himmel und erfrischender Gischt – mehr braucht man nicht zum Glücklichsein. Wer sich einmal auf die zeitlose Unbeschwertheit des Segelns eingelassen hat, kommt so schnell nicht mehr davon los. Körper und Geist werfen die Zügel des Alltags ab. Du lässt dich treiben im stetigen ab- und aufschwellenden Rhythmus der einnehmenden Wellen und begleitenden Winde. Wenn die Segel prall gefüllt sind und das Segelboot sanft dahingleitet, findet sich wahres Glück. Jeder Moment zieht sich zeitlos bis an den Horizont. Es sei denn es zieht vorher in Sehnen und Muskeln, weil die Überwinterung hauptsächlich auf der Couch stattgefunden hat!
Ja, auch Segler müssen sich fit halten und, wenn es auch nur dafür ist, sich unbeschwert mit 6 Knoten durch die Karibik treiben zu lassen. Unabdinglich wird das Fithalten jedoch beim Regattasegeln. Denn beim Wettkampfsegeln müssen alle Athleten in Topform sein. Das Training abseits des Wassers ist deshalb ebenso Pflicht wie auf dem Wasser.
Interview mit dem Segel-Team Lutz-Beucke
Tina Lutz und Susann Beucke segeln seit 8 Jahren gemeinsam und haben schon viele Wettkäpfe erfolgreich bestritten. Sie sind amtierende Europameisterinnen und ihr nächstes großes Ziel lautet Olympia 2020 in Tokyo. In einem kurzen Interview haben sie uns Einblick in ihren Segel-Alltag gegeben und unsere Fragen zu den sportlichen Herausforderungen des Segelns beantwortet.
HAMMER: Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für ein kurzes Interview nehmt. Als allererstes müssen wir euch natürlich fragen, wie und wann ihr zum Segeln gekommen seid?
Tina: Meine Eltern sind über ein Schnuppersegeln am Chiemsee Yacht Club auf den Sport aufmerksam geworden. Sie kommen eigentlich aus dem Surfsport.
Susann: Meine ganze Familie segelt. Meine Großeltern haben mehrfach auf einem Boot den Atlantik überquert und meine Eltern haben sich bei einer Regatta kennengelernt. Für mich ist es ein „Muss“ und eine Freude diese Familientradition weiter zu führen.
HAMMER: Was waren eure größten Erfolge bisher bzw. auf was seid ihr besonders stolz?
Tina & Susann: Wir sind amtierende Europameisterinnen. Auf die Regatta sind wir besonders stolz, weil wir am Ende sogar über unser Können im Training hinausgewachsen sind.
HAMMER: Euer großes Ziel ist Olymia 2020 in Tokyo. Wie sieht euer Trainingsalltag dafür im Moment aus?
Tina & Susann: Wir trainieren in Blöcken, weil die Trainingslager meistens im Ausland stattfinden. Dafür sind wir in der Regel zwei Wochen unterwegs und eine Woche zu Hause. Im Trainingslager gehen wir segeln und haben dann meistens noch eine Stretching und eine Fitnesseinheit. Wenn wir zu Hause sind, haben wir zwei Fitnesseinheiten am Tag.
HAMMER: Wie trainiert ihr außerhalb des Wassers und was ist dabei aus Seglersicht besonders wichtig?
Tina & Susann: Für das Segeln ist die Kraftausdauer besonders wichtig. Jedoch wird von den Seglern ein Allroundpacket abverlangt, da es auch Bewegungen gibt, die schnell und kräftig ausgeführt werden müssen und die Koordination ist durch das unruhige Wasser unterm Boot immer mit dabei. Zudem ist das Segeln eine sehr taktische Sportart. Man muss immer in der Lage sein, während des Segelns das Feld im Auge zu behalten und taktische Entscheidungen zu treffen. Dafür spielt die Grundlagenausdauer wiederum eine wichtige Rolle.
HAMMER: Auf welchen Geräten trainiert ihr besonders gerne?
Susann: Auf dem
, weil es der Bewegung die ich auf dem Boot mache sehr nahe kommt. Ich habe die Großschot in der Hand und muss diese ständig bedienen.Tina: Das
! Ich bin die Taktikerin bei uns an Bord und brauche dafür eine gute Grundlagenausdauer. Das Speedbike hilft mir dabei bei jedem Wetter von zu Hause aus meine Ausdauer zu verbessern.HAMMER: Beim Segeln ist nicht nur Muskelkraft, sondern auch mentale Stärke gefragt. Wie kann man sich diese Art von Training vorstellen?
Tina & Susann: Das mentale Training hat zum Ziel, das Maximale aus dem Einzelnen raus zu holen und das Team so einzustellen, dass es perfekt arbeitet. Beides gelingt durch Visualisieren. Zum Beispiel stellt man sich vor seinem inneren Auge die Manöver so vor, dass sie perfekt klappen, um sie dann im Wettkampf auch in einer guten Qualität abrufen zu können. Zusätzlich arbeiten wir viel mit Routinen.
HAMMER: Wie sieht eure Ernährung aus?
Tina & Susann: Die Wettkampfernährung ist anders, als wenn wir zu Hause sind und nicht 100 % fokussiert sein müssen. Im Wettkampf achten wir viel auf Kohlehydrate, und darauf, dass wir viel Flüssigkeit zu uns nehmen. Zu Hause essen wir zum einen weniger und zum anderen weniger kohlenhydratreich. Zusätzlich nehmen wir Vitamine bzw. Nahrungsergänzungsprodukte, um unser Immunsystem zu stärken.
HAMMER: Tina und Susann, vielen lieben Dank für das Interview und viel Erfolg auf eurem Weg zu Olympia in Tokyo!
Welche Arten des Segelns gibt es und wo wird am meisten von Seglern abverlangt?
Bootsklassen sind so unterschiedlich wie verfügbare Automodelle. Alles was schwimmt, kann grundsätzlich als Boot gebraucht (oder missbraucht) werden. Wer die Augen aufhält, findet von sportlichen Segelbooten bis hin zu kuriosen Gefährten wie dreistöckigen Hausbooten mit Segeln so ziemlich alles, was sich auf dem Wasser halten kann. Spricht man jedoch von Segelarten, dann unterscheidet man gewöhnlich zwischen Hobby- und Berufssegler bzw. Wettkampf- oder auch Regattasegler. Während Hobbysegler mit größeren Booten lediglich über eine gewisse Grundfitness und Stabilität im Core-Bereich verfügen sollten, müssen Wettkampfsegler körperlich und mental voll auf der Höhe sein.
Beim sehr fordernden Regattasegeln gibt es neben zahlreichen internationalen Wettkampfklassen auch klassische Olympische Disziplinen. Charakteristisch sind kleine Boote oder auch Jollen, die alleine oder im Zweierteam gefahren werden. Je größer das Segel im Verhältnis zu Rumpf und Gewicht, desto herausfordender wird es. Besonders spektakulär ist dabei die 49er Klasse. Mit Geschwindigkeiten von bis zu 30 Knoten verzeiht diese Wettkampfklasse keinen Fehler und fordert den Seglern alles ab.
Warum Segler auch außerhalb des Wassers trainieren
Die wenigsten Segler haben den Luxus, das ganze Jahr über im Boot sitzen zu können. Im Normalfall segeln sie nur ein paar Wochen im Jahr oder nur zur Saison. Die fürs Segeln wichtige Muskeln werden also nur ein paar Wochen, maximal einige wenige Monate im Jahr, belastet und schwinden in der segelfreien Zeit wieder. Wenn es nach der Pause dann wieder ins Wasser geht, fangen sie muskulär wieder von vorne an, meist begleitet mit Muskelkatern und manchmal auch mit Überlastungsschäden an Bänder oder Sehnen. Da hilft dann auch kein tätowierter Anker auf dem Bizeps! Um beschwerdelos und tatkräftig von Anfang an durchs Wasser zu gleiten, sollte man auch außerhalb des Wassers das Training nicht vernachlässigen und regelmäßig etwas für die strammen Matrosenmuskeln tun.
Welche Muskelgruppen werden beansprucht und wie schaut es mit der nötigen Kondition aus?
Zum Greifen und Halten der Schot ist eine starke Handmuskulatur nötig. Für das Setzen und Einholen der Segel kommen vorrangig Oberarm- und Schultermuskulatur zum Zug. Wer sich ins Trapez einhängt, benötigt eine gute Bauch- und Hüftbeugemuskulatur (Ausreiten und Hängen), sowie ein sehr gute Stützmuskulatur in den Beinen, da die Kräfte, die auf das Knie wirken, teils sehr hoch sind. Zur Stabilisierung des Knies sind vor allen Dingen der M. iliopsoas sowie der M. quadriceps entscheidend. Die teilweise sehr hohen Spitzenbelastungen beim Segeln kommen übrigens durch die dynamischen Wechselwirkungen zwischen Boot und Wellen zustande. Das heißt, dass nicht nur eine gute Ausdauer entscheidend ist, sondern auch eine koordinativ elaborierte dynamische Muskelkraft. Konkret bedeutet dies, dass Kraft und Kondition gleichermaßen trainiert werden sollten. Weiterhin wichtig ist die Core Muskulatur, um die Lendenwirbelsäule zu entlasten. Die Lendenwirbelsäule wird beim Segeln aufgrund von kräftigen Belastungsspitzen sowie von Nässe und Kälte stark beansprucht, wenn die umgebende Stützmuskulatur nicht stark genug ist.
Hinsichtlich der nötigen Kondition musst du dir vor Augen halten, dass du beim Segeln nicht mal eben nur 20 Minuten auf dem Wasser bist, sondern meist mehrere Stunden am Stück. Wenn du da nicht müde werden willst, benötigst du eine gut ausgeprägte Grundfitness.
Welche Rolle spielt mentale Stärke und wie kann Krafttraining dazu beitragen?
Die psychische Stärke ist beim Segeln eine überaus wichtige Komponente. Da Fehler schnell durch Kentern bestraft werden und auch ein schnell umschlagender Mast zur Gefahr werden kann, muss man mental sehr stark sein. Darüber hinaus wartet die sprichwörtlich unberechenbare See auf dich, die erbarmungslos werden kann. Nicht wenige Segelsportler greifen daher auf eine psychische Betreuung zurück und stärken sich mit mentalen Kräftigungsübungen wie Meditation und autogenem Training.
Wie aber kann nun Krafttraining die Psyche stärken? Wenn du dein Krafttraining gewissenhaft ausführst, dann wirst du gegen Übermüdung deiner Muskeln mental ankämpfen müssen. Nicht umsonst hat sich unter Kraftsportlern das Motto „No pain, no gain“ durchgesetzt. Um beim Krafttraining die Psyche zu stärken, gebe nicht auf, wenn es anfängt zu ziehen, sondern entwickle deine mentale Stärke, indem du bei jeder Übung einige Wiederholungen dransetzt, bis es richtig in den Muskeln brennt. Natürlich nur, sobald du eine gewisse Grundfitness erreicht hast und dich ordentlich vor dem Training warmgemacht hast.
Wie kannst du insbesondere die Winterpause mit Kraft- bzw. Ausdauertraining sinnvoll überbrücken?
Rein in den Trockentauchanzug und auf gehts den Atlantik durchschwimmen! Ein Kinderspiel für richtige Matrosen, nicht wahr? Spaß beiseite, die Winterpause kannst du ganz einfach mit einem Mix aus Kraft- und Ausdauertraining überbrücken. Für Hobbysegler empfehlen wir 2 Mal pro Woche zu trainieren, um den Trainingszustand zu halten oder sogar leicht zu verbessern. Regattasegler kommen um einen professionellen Trainingsplan nicht herum.
Noch ein Tipp zum Schluss: Beim Krafttraining mehr mit freien Gewichten als mit Kraftgeräten arbeiten, da das Training mit freien Gewichten gleichzeitig die muskuläre Koordination verbessert. In diesem Sinne: Mögest du immer reichlich Wind im Segel haben und auch die Kraft, diese bändigen zu können!